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Ende einer Ära: Keine Balsamessige mehr bei Erwin Gegenbauer

„Wenn ich nicht ständig etwas ändere, fühle ich mich nicht wohl“, erklärt Erwin Gegenbauer seine unternehmerische Rastlosigkeit. Jetzt fällt in der Brauerei im zehnten Wiener Bezirk eine schwere Entscheidung, denn der Essigpapst möchte eine seiner beliebtesten Produktgruppen nicht mehr anbieten. Den Platz der legendären Balsamessige nehmen künftig die süßen Hausessige ein, deren Sortiment Gegenbauer von aktuell drei auf zwölf Sorten erweitern will. In tragenden Rollen: ignorante Konsumenten, unnachahmliche Produkte und ein Obst, das Gegenbauer eigentlich gar nicht mag.

„Ich habe keine Freude mehr an Balsamessigen! Ehrlich gesagt möchte ich mich gar nicht mehr mit dem Thema auseinandersetzen.“ Wer Erwin Gegenbauer kennt und weiß, wie sehr der Wiener für seine Produkte brennt, muss an dieser Stelle erstmal schlucken. Wie konnte es dazu kommen?

Balsamessig, überall Balsamessig

Dass Gegenbauer bei industriell hergestellter Massenware die Galle hochkommt, ist kein Geheimnis. Schließlich setzt sich der Qualitätsfanatiker seit Jahrzehnten dafür ein, dass Konsumenten zu echten „Lebens“-Mitteln greifen, statt sich nur von Preis und Bequemlichkeit leiten zu lassen. „Ich kann gar nicht sagen, was letztendlich der Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, erklärt Gegenbauer. „Aber ich war einfach nur noch geschockt, wie viele Balsamicos es am Markt gibt. Diese gepanschten sogenannten Balsamessige aus billiger Grundware und minderwertigem Fruchtsaft haben nichts, aber auch gleich gar nichts mit dem gemein, was wir machen.“

Gegenbauers Vertrauen in den Verbraucher war erschüttert. Immer und immer wieder hatte er versucht, den Unterschied zwischen falschem Balsamico mit Verdickungsmitteln und Erdölderivaten und seinem doppelt vergorenen sauren Gold aus besten Grundzutaten zu erklären. „Man sollte sich bewusst ernähren und nachdenken, was man zu sich nimmt. Ich hatte aber oft das Gefühl, dem Konsumenten ist das völlig egal, Hauptsache es geht schnell und ist billig. Offensichtlich habe ich es nicht geschafft, Produktwissen zu vermitteln und klarzumachen, was echten Balsamessig ausmacht. Wertvoller Essig muss lange reifen, aber das interessiert viele einfach nicht. Und das ist mir auf den Nerv gegangen.“ Gegenbauer plant aktuell, alle Reserven vom Markt zurückzuziehen und den Restbestand an Balsamessigen so lange über den Webshop und am Naschmarkt zu verkaufen, wie der Vorrat reicht.

Auf zu neuen Ufern

Da der Unternehmer aber niemand ist, der ohne einen Plan B das Handtuch wirft, hat sich Gegenbauer entschlossen, seine süße Hausessiglinie weiter auszubauen. „Das Schöne an den süßen Hausessigen ist, dass sie mir keiner nachmachen kann“, erklärt er. „Ich mag Dinge, die nicht kopierbar sind. Das waren meine Balsamessige zwar auch nicht, aber es gab zu viele ähnliche Produkte.“

Halbe Sachen gibt es in der Wiener Essig Brauerei nicht, und so erweitert Gegenbauer das bestehende Portfolio „Süße Dattel“, „Süße Birne“ und „Süße Feige“ um ganze neun neue Sorten. „Süße Banane“, „Süße Vogelbeere“, „Süßer Pfirsich“, „Süße Marille“, „Süße Heidelbeere“, Süßer Sanddorn“, „Süße Quitte“, „Süße Pflaume“ und „Süße Honigmelone“ werden genauso hergestellt wie die ersten Produkte, die der Wiener vergangenen Sommer auf den Markt brachte.

Dazu hatte er eigens ein neues Gerät entwickelt, den Gegenbauer Fermenter, in dem er eingekochte Fruchtsäfte vergären lässt. Es kombiniert zwei Essigverfahren. Das erste ist das Buchenspanverfahren, bei dem in einem großen Holzfass, dem so genannten Spanbildner, alkoholischer Weizensud pausenlos über mit Essigsäurebakterien bedeckte Buchenspäne rieselt. Der Vorteil: Der Prozess geht relativ langsam vonstatten und die Bakterien haben mehr Zeit, dem Essig ihr Aroma zu geben. Die zweite Methode ist das modernere Submerse- oder Schwebeverfahren, bei dem im unteren Teil des Fermenters Luft eingeblasen wird, die die Essigbakterien buchstäblich in der Schwebe hält. Der Vorteil hier liegt in der Reintönigkeit des Endprodukts, denn durch die schnellere Verarbeitung entwickeln sich weniger Fehlaromen. Das Ergebnis ist ein reineres Fruchtaroma kombiniert mit einem intensiveren Essigaroma. Gegenbauers Ziel mit der erweiterten süßen Hausessiglinie ist es, ein spannendes neues Spielzeug für kulinarisch Interessierte und Köche auf den Markt zu bringen.

Die neuen süßen Hausessige

Der Meister sieht in den neuen Kreationen viel Potenzial: „Die Vogelbeere ist absolut irre! Da sie von Haus aus wenig Zucker hat, ist der Essig nicht so süß, aber wahnsinnig intensiv in der Aromatik. Die Bitternoten harmonieren super mit Wildgerichten und Salaten.“ Ähnlich verhält es sich mit dem „Süßen Sanddorn“, und aufgrund der dichten und komplexen Fruchtintensität braucht man nur wenige Tropfen, um ein Gericht zu finalisieren.  

Aber – Entschuldigung – „Süße Banane“?! „Ich hasse eigentlich Bananen“, sagt Gegenbauer. „Der Hausessig ist jedoch eine Sensation.“ Im subtropischen Raum gibt es eine lange Tradition der Bananenessigproduktion, dort ist er so normal wie in Europa Weinessig. Frühere Versuche Gegenbauers, einen Fruchtessig Banane herzustellen, schlugen fehl. „Die doppelte Gärung aus dem frischen Saft heraus ist mir nie gelungen, die flüchtigen Aromen sind immer abgehauen. Aber durch das Einkochen des Saftes sind sie konzentrierter und halten sich im Essig. Die ‚Süße Banane‘ ist herrlich intensiv, aber nicht unangenehm – selbst für jemanden, der Bananen nicht ausstehen kann.“

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